Zuhause zusammen: Mensch sein
![]() |
||
Wir an Euch
|
||
|
||
EinblickTrauernde erzählen uns, wie ihr Leben gerade aussieht. Wie erleben sie ihren Verlust? Wie verändert sich ihre Trauer? Und was hilft dabei, die nächste Zeit zu überstehen? |
||
Endlich! Endlich liegt er in meinem Briefkasten – der Bescheid über die Hinterbliebenenrente, in meinem Fall über die Höhe der Witwenrente. Zehn Monate nach dem Tod meines Mannes. Den Antrag habe ich zusammen mit allen nötigen Unterlagen ca. drei Monate nach dem Sterbedatum eingereicht. Schließlich wollte ich, dass alles zügig bearbeitet wird und ich einen finanziellen Orientierungspunkt für meine weiteren Planungen hatte. Zügig lief dabei aber dann gar nix… Sechs Wochen nach dem Einreichen wurde ich aufgefordert, nochmals die Sterbeurkunde einzureichen. Komisch, da ich ja alles abgegeben hatte. Aber ok, dann schicke ich eben nochmal eine Kopie. Leider war das aber erst der Anfang und in regelmäßigem Abstand wurde ich aufgefordert, wieder andere Unterlagen nachzureichen. Das ging von Nachweisen von Schul- und Studienabschlüssen meines Mannes bis zu erneuten Einkommensnachweisen meinerseits. Jede erneute Aufforderung empfand ich als sehr zermürbend und irgendwann dann sogar als Gängelung, da ich manche Unterlagen bereits doppelt eingeschickt hatte. Bei telefonischen Anfragen bekam ich kaum qualifizierte Auskunft. Nein, auf mehrere Nachfragen reagierte mein Gegenüber sogar damit, dass das Gespräch einfach beendet wurde. Was so ein unstrukturiertes Vorgehen bei Betroffenen auslösen kann, wird dabei überhaupt nicht beachtet. Nun endlich war der Bescheid da und ich war der Meinung, dass ich das Thema mit der Hinterbliebenenrente endlich abschließen kann und mich damit nicht mehr beschäftigen muss. Meine Gefühle für diesen Brief waren dabei sehr ambivalent, schließlich wurde ich abermals an den Tod meines Mannes erinnert. Trotzdem fiel mir ein Stein vom Herzen, dass dieser bürokratische Aufwand erledigt war und ich auch finanzielle Sicherheit hatte. Kurze Zeit später zierte viele Tageszeitungen und Magazine die Schlagzeile, dass es Personen mit der Bezeichnung „Wirtschaftsweise“ gibt, die eine Abschaffung der Witwenrente fordern. In diesem Fall beziehe ich mich auf Monika Schnitzer, der Vorständin des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Ihr gehe es darum, mehr Potenziale für den Arbeitsmarkt zu haben. Frauen würden durch die aktuelle Regelung davon abgehalten, mehr zu arbeiten. Diese Aussage wurde von vielen Politikern und auch von Sozialverbänden kritisiert. Jedoch fehlte mir persönlich die Sichtweise der Betroffenen und Argumente, die bei der Diskussion bisher völlig außen vor geblieben sind. Die Trauerarbeit und der Umgang mit dem Verlust erfordern viel Zeit und Energie. Menschen in dieser Situation sind oft emotional und psychisch belastet, was es schwierig macht, sofort wieder in das Berufsleben einzusteigen oder eine Vollzeitbeschäftigung aufrechtzuerhalten. Bei jung Verwitweten, bei denen der Tod eines geliebten Menschen meist sehr plötzlich oder aufgrund von schwerer Krankheit eintrat, braucht der Genesungsprozess seine Zeit. Ich kann von mir selbst behaupten, dass ich ca. sechs Monate benötigt habe, um überhaupt wieder irgendeinen klaren Gedanken fassen zu können. Die Witwenrente bietet eine dringend benötigte finanzielle Stütze, die es Hinterbliebenen ermöglicht, sich zunächst auf ihre Familie und ihre persönlichen Bedürfnisse zu konzentrieren, bevor sie sich überhaupt wieder anderen Belangen und ihrem Arbeitsplatz widmen können. Zudem werden bei dieser Forderung ganz grundlegende Aspekte vergessen. Ich arbeite derzeit ca. 60 % und sehe mich theoretisch in der Lage, wieder mehr zu arbeiten. Dadurch würden sich mir wieder neue Arbeitsbereiche erschließen und andere, sehr interessante Stellen wären mir zugänglich, da manches nur in Vollzeit bewältigbar ist. Die derzeitige Situation in den Kinderbetreuungsstätten sieht aber so aus, dass es aufgrund des Personalmangels in fast allen Einrichtungen verkürzte Betreuungszeiten, immer wieder Notbetreuung oder zusätzliche Schließtage gibt. Das ist mit einer Vollzeitstelle nicht zu bewerkstelligen. Hinzu kommt auch noch mein schlechtes Gewissen, da ich mir immer denke: „Wenn meine Tochter schon keinen Papa mehr hat, dann soll sie doch wenigstens viel Zeit mit ihrem übrigen Elternteil haben“. Ich habe den Anspruch an mich, meiner Tochter Stabilität und auch den Raum zu geben, indem sie merkt, dass sie mit ihren Bedürfnissen gesehen und akzeptiert wird. Schließlich muss auch sie mit dem Verlust des Vaters zurechtkommen. Diese Aufgabe kann ich nur meistern, wenn ich Zeit habe, mich auch um mein Wohlergehen zu kümmern. Die Vorstellungskraft, wie das mit einer Vollzeitstelle funktionieren soll, fehlt mir gänzlich. Zusätzlich zu den psychologischen Auswirkungen des Todes eines geliebten Menschen ist es wichtig, zu erkennen, dass Frauen nicht die einzigen Begünstigten der Witwenrente sind. In einer modernen Gesellschaft, in der die Geschlechterrollen zunehmend fließend sind und beide Elternteile berufstätig sein können, sollte die Unterstützung von Hinterbliebenen unabhängig von ihrem Geschlecht betrachtet werden und sich nicht nur auf Frauen beziehen. Wenn schon eine Debatte über die Witwenrente geführt werden soll, dann würde ich mir eine über die Entbürokratisierung der Anträge und Sachbearbeitung wünschen. Ich bin mir sicher, dass mit einer einfacheren Antragsstellung, strukturierteren Bearbeitung sowie effizienterer Nutzung der digitalen Möglichkeiten viele Arbeitsplätze eingespart und so wirtschaftliches Potenzial geschaffen werden kann. Schlussendlich möchte ich nicht als wirtschaftliches Potenzial, sondern als ein Mensch gesehen werden, der gerade in einer besonderen Lebenssituation befindet und dessen Priorität nicht bei der Ökonomie liegt. Carola |
||
Anderswo |
||
![]() Podcast: The Science & Process of Healing from Grief Andrew Huberman ist Neurowissenschaftler und Professor für Neurobiologie, Psychiatrie und Verhaltenswissenschaften an der Stanford School of Medicine. In einer Folge seines Podcasts Huberman Lab klärt er über die biologischen Mechanismen der Trauer auf. Was hat Trauer mit Verbindung zu tun? Wie unterscheidet sich Trauer von Depression und warum fühlen sie sich dennoch manchmal ähnlich an? Und was sind wissenschaftlich fundierte Hilfsmittel nach einem Verlust? Die Antworten gibt es (auf Englisch) hier: hubermanlab.com ![]() Film: Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster ![]() ![]() Podcast-Folge: Was Dir als Witwe*r zusteht Witwenrente, Halbwaisenrente, Erziehungsrente und eine ganze Menge mehr - was steht Menschen in Deutschland zu, wenn sie verwitwet und damit formell alleinerziehend sind? Das erklärt eine Folge des Podcasts Das AE-Team - der positive Podcast für Alleinerziehende. Die beiden Macherinnen beleuchten im Interview mit Inga Krauss Schwierigkeiten, Rechte, Pflichten und so manche bürokratische Absurdität. podcast.de ![]() Kinderbuch: Häschen tröstet ![]() Charlie baut einen Turm aus Bauklötzen, doch plötzlich stürzt er ein. Erst war Charlie stolz, jetzt ist er traurig. Ein Freund nach dem anderen probiert, Charlie mit guten Ratschlägen aufzumuntern. Doch nichts hilft. Bis ein kleiner Hase auftaucht und sich still zu dem Kind setzt – und Charlie all seine Gedanken und Gefühle ordnen kann. Das vielfach prämierte Buch eignet sich für Kinder ab drei Jahren und vermittelt ihnen, dass man auch belastende Gefühle bewältigen kann. zuckersuessverlag.de |
||
LESER*InnenPOSTIhr habt Anmerkungen, Ideen, Wünsche? Wir freuen uns auf Eure Rückmeldungen und greifen Eure Nachrichten gerne an dieser Stelle auf. |
||
|
||
www.nicolaidis-youngwings.de | Kontakt | Folgen Sie uns ![]() ![]() ![]() Sie wollen den Newsletter abbestellen? |
||


















































