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Hallo zusammen,
in dieser Ausgabe beschäftigen wir uns mit Begegnungen: inneren und äußeren, konkreten und abstrakten, fehlenden und unverhofften. Wenn Sie uns in nächster Zeit persönlich begegnen möchten, dann gibt es im Herbst wieder mehr Gelegenheiten dazu – und deshalb auch eine neue Rubrik in dieser Mail ("Von uns für euch"). Dort kündigen wir alle Termine an, die abseits der festen Trauerangebote stattfinden, zum Beispiel unser Seminar "Weiterleben / Weiterlieben" oder einen Tagesausflug.
Für alle, die Corona-, zeit- oder distanzbedingt daran gehindert sind, ist dieses Format hoffentlich eine Art "Begegnung im Geiste", die Sie spüren lässt, dass es Menschen gibt, die mit Ihnen fühlen.
Ihr Team der Nicolaidis YoungWings Stiftung
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Wir an Euch
Welche Gedanken und Eindrücke begegnen uns in der Begleitung? Womit beschäftigen wir uns und was treibt uns um? Ein offener Brief – diesmal von Lisa Auffenberg.
Jana sitzt vor mir, glücklich und aufgewühlt zugleich. Ein neuer Mann kam unverhofft in ihr Leben und machte sich dort breit. Er brachte einen großen Strauß an Glücksgefühlen mit, ein Paket voller Dankbarkeit – und ein ganzes Bündel an Fragen. Wie viel Traurigkeit darf ich diesem Menschen zumuten? Wie viel Verliebtheit schulde ich ihm? Wie viel kann, darf, muss ich von meiner Geschichte erzählen? Was werden die anderen denken? Halte ich es aus, wenn ich enttäuscht werde? Wie schaffe ich es, die Beziehungen nicht zu vergleichen? Verrate ich meinen verstorbenen Partner? Wie viel Platz darf und muss er in meinem Leben haben? Nimmt eine Liebe der anderen etwas weg? Und überhaupt: Kann das irgendwie funktionieren?
All diese Fragen habe ich mir auch einmal gestellt. Erst theoretisch, dann aus einem praktischen Anlass, der Peter hieß und nicht darauf warten wollte, bis ich Antworten gefunden hatte. Sechs Jahre und viele Erfahrungen später weiß ich: Es kann. Es kann funktionieren, zwei Beziehungen gleichzeitig zu leben. Die Verlustängste im Zaum zu halten, sich Verletzbarkeit, Nähe, Vertrauen zu erlauben und in der Beziehung mehr als einen Kompromiss zu leben. Die Verbundenheit zum Verstorbenen zu halten und trotzdem einer neuen Liebe Platz zu geben. Das zeigt nicht nur meine Geschichte, sondern die Erfahrung vieler Menschen, die wir in der Stiftung begleiten.
Denn früher oder später taucht das Thema „neue Beziehung“ in den meisten Köpfen auf. Weil bei aller emotionalen Nähe zum Verstorbenen ein Gegenüber im täglichen Leben fehlt, sehnen sich viele Trauernde irgendwann nach jemandem, mit dem sie Unterstützung, Stabilität oder Zweisamkeit, körperliche Intimität oder eine Zukunft als Familie erleben können. Doch schon bei der Suche nach einem potentiellen Jemand tauchen erste Hürden auf: Welchen Beziehungsstatus gebe ich in meinem Profil bei der Partnerbörse an? Wie heiße ich überhaupt, wenn ich nicht verheiratet war und doch meinen Lebensgefährten verloren habe? Bin ich Single, selbst wenn ich mich nicht so fühle? Auch die ersten Treffen werden von schwierigen Fragen flankiert: Wann ist der richtige Zeitpunkt, die eigene Geschichte zu offenbaren? Interessiert sich dann noch jemand für mich?
Haben wir einen Menschen gefunden, dem wir uns öffnen können und wollen, gesellen sich zu diesen Zweifeln widersprüchliche Gefühle, die in ihrer Gleichzeitigkeit überaus anstrengend sind: aufgeregte Verliebtheit, verzweifelter Schmerz, ungeahnte Lebendigkeit, bodenlose Schuldgefühle, herzerwärmende Dankbarkeit, unendliche Sehnsucht. Denn die Verliebtheit löst die Trauer nicht ab. Die Trauer geht in die Verliebtheit mit ein und macht sie komplizierter – für alle Beteiligten. Die Trauernden ringen mit einem erschütterten Selbstwertgefühl, dem Treue-Versprechen an den verstorbenen Partner, Erwartungen und Vorstellungen der eigenen Familie, dem fehlenden Urvertrauen und dem ständig anklopfenden Vergleich. Ihre Partner kämpfen mit einer überirdischen Konkurrenz, der eigenen Hilflosigkeit und dem Wissen, dass diese Liebe nie gescheitert ist und niemals enden wird.
Mit diesen Herausforderungen im Gepäck ist der gemeinsame Weg kein Spaziergang. Er ist ziemlich hügelig und verlangt uns einiges ab. Oft schauen wir sehnsüchtig zu unserem Ausgangspunkt zurück, manchmal möchten wir einfach aufgeben und umdrehen. Doch die Erfahrung zeigt auch: Der Weg kann uns durch ziemlich schöne Landschaften führen, Lebendigkeit in die Poren treiben und unser Herz auf Trab bringen. Weil wir mit jedem Schritt voran fitter und routinierter werden, können wir die anspruchsvollen Streckenabschnitte immer leichter meistern und die Hindernisse besser umgehen.
Weil es sich zusammen schöner wandert als alleine, veranstalten wir einmal im Jahr das Seminar „Weiterleben / Weiterlieben“, das sich mit den Herausforderungen neuer Partnerschaften beschäftigt. Wer mit dem Gedanken spielt, eine neue Beziehung einzugehen, oder schon einen neuen Partner hat, der bekommt dort hoffentlich einen guten Kompass mit auf den Weg (weitere Informationen unter „Von uns für euch“).
Ich würde mich freuen, wenn wir uns dort begegnen.
Herzliche Grüße,
Lisa Auffenberg
Beratung und Begleitung nach dem Tod des Lebenspartners
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Eine Idee: Innere Begegnung
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Wenn wir uns von dem Verstorbenen abgeschnitten fühlen, offene Fragen haben oder Konflikte klären wollen, dann kann die Imaginationsübung im Anhang hilfreich sein. Sie stammt von dem Psychotherapeuten und Trauerbegleiter Roland Kachler. Idee hinter dem Gedankenexperiment ist, dass wir in einem entspannten Zustand einen Zugang zu unbewussten Prozessen, inneren Ressourcen und tieferliegendem Wissen haben. In unserer Vorstellung können wir damit dem Verstorbenen begegnen und Antworten finden. |
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Von Uns für euch
Seminar "Weiterleben, Weiterlieben" I
26. September I 10 - 17 Uhr Viele Menschen, die in jüngeren Jahren ihren Partner verlieren, bleiben nicht für immer alleine. Ihre neue Beziehung muss besondere Hindernisse meistern, die wir an einem Nachmittag zusammen in den Blick nehmen wollen. Das Seminar richtet sich an Trauernde, die das Thema neue Partnerschaft beschäftigt, die bereits in einer neuen Beziehung leben, sowie deren Partner. Weitere Informationen.
Tagesausflug I 11. Oktober I 9 - 16.30 Uhr Oft sind es die Wochenenden, an denen es schwer fällt, die freie Zeit ohne den verstorbenen Partner oder die verstorbene Partnerin auszufüllen. Deshalb wollen wir uns gemeinsam auf den Weg machen. Bei leichten Wanderungen können Erwachsene – mit und ohne Kinder – Kontakte knüpfen, Gemeinschaft erleben und sich mit anderen Betroffenen über ihre Trauer austauschen. Weitere Informationen.
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Einblick
Drei Trauernde erzählen uns im Wechsel, wie ihr Leben gerade aussieht. Wie erleben sie ihren Verlust? Wie verändert sich ihre Trauer? Und was hilft dabei, die nächste Zeit zu überstehen?
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Mich hat die Endgültigkeit des Todes bis zu den Knochen erschüttert. Meine Eltern sind nacheinander an Krebs verstorben, 2017 und 2019 waren also zwei Jahre der kompletten Veränderung, aber auch die Zeit dazwischen hat mich sehr herausgefordert. Und wenn ich in meiner Kindheit Trost darin fand, meine verstorbenen Verwandten im Himmel und in Frieden zu denken, bekam ich immer mehr Zweifel an dieser Vorstellung des Lebens nach dem Tod. Denn für mich waren meine Eltern einfach tot. Wenn man mitbekommt wie ein Mensch langsam und qualvoll stirbt, ist es schwer, an was anderes zu glauben als an das, was man sieht. Für mich war der Tod auch keine Erlösung, sondern nur eine Konsequenz von dem Verlauf der Krankheit. Dass das meine Realität ist, wird mir immer wieder vor Augen geführt: wenn zum Geburtstag mein Handy nicht mehr klingelt, wenn ich meine Erfolge nicht teilen kann, wenn ich nach Rat suche und nicht weiß wohin mit mir. Wenn ich mir unsicher bin bei der Wahl des Waschgangs. Wenn die Tage vergehen und mich keiner mehr besucht. Es ist eine schwere Stille, dicht wie Nebel, allgegenwärtig, aber nicht fassbar. Sie beeinflusst meinen Alltag und meine Sicht auf meine Zukunft, sodass ich oft nur das wahrnehmen kann, was unmittelbar vor mir steht. Wie stellt man sich ein Leben ohne Eltern vor, wenn das alles ist, was man kennt? Fängt man von vorne an oder macht man da weiter, wo man stehen geblieben ist? Zwei Schritte weiter, einer zurück. Auf einmal steht man alleine da, mitten im Leben, begleitet vom Tod. Meine Reise geht weiter, auch wenn ich nicht genau sagen kann, wie. Mal mit jugendlicher Energie, dann wieder bleibe ich sitzen mit einer unendlichen Müdigkeit im Herzen. Und oft stehe ich am Bahnhof meines Lebens und warte auf meine Eltern. Der Zug ist abgefahren, das weiß ich ganz genau. Ich höre das Zischen des Zuges durch den Wind. Doch ich kehre immer wieder zurück und lausche in die Ferne.
Olivia
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Anderswo

I Die ZEIT-Serie Der Tod ist groß hat ein hehres Ziel: Sie will den Tod enttabuisieren. Die Interviews und Artikel der Serie widmen sich u. a. den körperlichen Prozessen beim Sterben, Erbstücken, der Therapie am Lebensende und dem Umgang mit dem Tod.
I Der Film „Das will ich dir noch sagen – Wenn junge Eltern sterben“ begleitet schwer kranke Eltern dabei, wie sie um ein "gutes" Lebensende ringen und ein Vermächtnis vorbereiten, mit dem sich ihre kleinen Kinder später an sie erinnern können. Zu sehen ist die WDR-Dokumentation auf Youtube.
I Die LEGO Foundation setzt sich dafür ein, das Leben von Kindern durch Bildung und Spiel zu verbessern. Für Familien hat die Stiftung sechs Ideen für eine Spielpause zusammengestellt – „alles, was ihr dafür braucht, seid ihr und Gegenstände rund ums Haus. Sonst nichts.“ I Wir werden sterben. Jeder von uns. Doch was geschieht, wenn wir tot sind? Und gibt es ein Leben nach dem Tod? Diese Fragen beschäftigen die Menschen seit eh und je. Auch die Macher der ZDF-Dokumentation Blick in die Ewigkeit? Der Tod und das Danach. Für sie ist der Film „eine sehr persönliche Begegnung mit der Frage aller Fragen: Gibt es ein Leben danach?“.
I Ein Radiobeitrag von SWR2 dreht sich um die Frage, wie Kinder trauern. Was können, sollten und müssen wir ihnen zumuten? Wie können wir ihnen helfen, mit einem Verlust umzugehen? Nachzuhören ist die Sendung in der ARD-Audiothek.
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Ihr an Euch
Dieses E-Mailformat soll auch eine Plattform sein, auf der Trauernde miteinander teilen können, was sie bewegt. Was beschäftigt Sie gerade? Gibt es Anliegen, Gedanken, Erfahrungen, die hier einen Platz haben sollen? Wir greifen Ihre Nachrichten gerne an dieser Stelle auf.

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Liebe Clarissa, liebe Margit,
eure Briefe haben mich sehr bewegt. Seid drei Jahren bin ich allein und das Loslassen ist mir nicht gelungen. Vielleicht geht es auch anders. Denn auch wenn meine Kinder oder ich uns über etwas freuen, wird diese Freude von Traurigkeit begleitet, weil in unserer Mitte der Papa, der Ehemann so sehr fehlt.
Das Leben, der Alltag ist auf eine seltsame Weise unwirklich geworden. Das Gefühl der Geborgenheit verlorengegangen. Ich wünsche uns allen, dass wir einen Weg finden, uns wiederzufinden, neu zu entdecken mit der ewigen Liebe unseres Partners im Herzen. Wie ein Held durch unser Leben zu schreiten.
Herzliche Grüße,
Daniela M.
Liebes Team,
das Schreiben von Clarissa ist sooooo gut zu lesen! Entspricht es genau dem, wie ich mich aktuell fühle, obwohl mein Mann in den Bergen einen plötzlichen Tod hatte.
Danke für die regelmäßigen Mails. Das tut so gut. Bin ich doch leider so weit weg vom schönen München.
Liebe Grüße
Daniela D.
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