Fragerunde: Was hat euch geholfen, zu überleben?
Manche Fragen stellt sich fast jeder Trauernde irgendwann nach dem Verlust. Weil die Antworten darauf so verschieden sind wie die Menschen, die die Fragen stellen, gibt es keine „Experteneinschätzung“ dazu. Stattdessen kommen diejenigen zu Wort, die es am besten wissen: Betroffene mit etwas mehr Abstand.
Die Frage: Was hat euch geholfen, zu überleben?
Die Antworten:
„Meine beiden Kinder und die Sorge um sie ... ich konnte sie nicht alleine lassen. Die Unterstützung aus meinem direkten Umfeld: Die Nachbarn mit und ohne Kinder im Haus. Das Stück Apfelstrudel, das vor der Tür steht. Die täglichen Spielplatzbesuche mit den Nachbarskindern. Das Eingebundensein im Stadtteil: Der Gemüsehändler, der mich wortlos in den Arm nimmt. Der Kindergarten, der die Kleine einfach mit aufnimmt. Die bestehende Betreuungsstruktur des behinderten Kindes, die auf die Schwester ausgeweitet wurde. Die Tatsache, dass ich schon einmal einen "Schicksalsschlag" hinnehmen musste (wobei die Endgültigkeit des Todes mit nichts zu vergleichen ist). Das Dasein von Freundinnen. Unkommentierte, tätige Unterstützung.“
„Nach dem ersten Schock (Das überlebe ich nicht, allein mit den Kindern wie soll das gehen...), habe ich versucht das Prinzip der kleinen Schritte auf mich zu übertragen: Fünf Minuten sind nicht so schwierig, dann bis zum Mittagessen, diese Nacht, ein Tag, eine Woche... Wenn alles zu viel wird, dann fang ich wieder mit dem Fünf-Minuten-Schritt an. Für mich hat sich diese Methode seit über 22 Jahren bewährt.“
„Die Unterstützung durch die Nicolaidis YoungWings Stiftung. Ich hatte die Möglichkeit, mich in der Gruppe mit Betroffenen unter Anleitung auszutauschen. Raum und Zeit für die Trauer zu haben, war sehr wichtig für mich.“
„Ich bin Leserin und hatte schon lange Übung darin, mich mit Büchern komplett aus meinem Alltag zu beamen. Für mich sind und waren es Überlebensmittel.“
„Zuerst hat mir sicher mein Sohn geholfen und nach ca. drei Monaten auch mein Wille zum Leben, Freunde, die Stiftung, Bücher und meine Therapeutin.“
„In der Trauergruppe habe ich einen lebensrettenden Menschen kennengelernt. Wir sind gemeinsam durch die schlimmsten Tage und Monate gewankt, haben uns hilfreiche Gedanken geschenkt, wechselseitig ins Leben geschubst, sind zusammen verzweifelt, haben jeden winzigen Schritt miteinander geteilt. Noch heute ist sie meine engste Freundin und einer meiner wichtigsten Wegbegleiter.“
„Zu merken, dass es gibt viele gute Gründe gibt, zu überleben: Familie, Freunde, Sonne, Sterne, Wasser und Wind. Die Erinnerungen als Freude und das Leben als Mysterium.“
„Die Natur: Stundenlange Spaziergänge. Eine Bergtour, bei der ich zum ersten Mal eine Idee davon bekommen habe, dass es sich lohnen könnte, weiterzuleben. Den Körper wieder spüren, beim Sprung in den kalten See. Den Kreislauf der Dinge beobachten, Werden und Vergehen als etwas Natürliches erleben. Die Sonne auf der Haut spüren. Meinen Freund in ihr spüren.“
„Sport: sowohl im Verein als auch alleine. Selbsthypnose-Videos auf Youtube: in Trance beamen lassen und der Welt für eine Weile entfliehen. Mit einem ruhigeren Kopf zurückkehren. Trauerbegleitung und Therapie: nicht alleine sein mit dem Schmerz, sich normal fühlen dürfen, verstehen, was mit mir passiert.“
„Reden, reden, reden. Immer wieder das Gleiche, jeden noch so krassen oder abstrusen Gedanken. Mich dabei von meinen Gesprächspartnern in der Welt verankern lassen.“