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Trauer auf allen Kanälen

16. Januar 2019

Ein Bingo für Trauernde. Hollywood-reife Witwen. Eine Trauerforscherin über Wut, Psychopharmaka und öffentliche Anteilnahme. Eine Frau, die von ihrem Überlebnis erzählt. Ein Onlinekurs über die Folgen eines Verlusts. Das lesen, sehen, hören wir jetzt von Trauer.

Portrait: Ins Licht

Oda Jaune hat Deutschland nach dem Tod ihres Mannes, des berühmten Künstlers Jörg Immendorff, verlassen und sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Im SZ Magazin erzählt sie erstmals von ihren Beweggründen und auch davon, wie der Verlust sie verändert hat. Entstanden ist ein einfühlsames Portrait über eine verletzte und starke Frau, die ihren eigenen Weg durch die Trauer geht. Ein Weg, der sie trotz ihrer Prominenz mit anderen Trauernden verbindet: „Oda Jaune verließ Deutschland wortlos. Sie wollte keine Düsseldorfer Witwe sein, die von den Leuten und den Zeitungen beim Trauern beguckt wird. Die mal für zu wehleidig, mal für zu fröhlich befunden wird (…) Oda Jaune ist also eine Lebende, mit diesem Überlebnis in der Biographie. Überlebnis ist ein Wort, das die Suhrkamp-Verlergerin Ulla Berkewicz nach dem Tod ihres Mannes Peter Unseld geprägt hat. Ein Begriff, der die vielen Stufen des Verlusts alle miteinschließt. Zunächst einmal das Überleben der großen Liebe, den unerträglich schnöden Fakt, länger zu leben als der Lebensmensch. Dann das tägliche Überleben, das Weitermachen, und schließlich das abgeschlossene Überlebthaben, das Überlebnis. Oda Jaune mag dieses Wort. Aber es hat lange gedauert, bis Jaune aus dem Überleben ein Überlebnis machen konnte, etwas, das sie geprägt hat, aber das nun, mit Abstand, ein Erlebnis in ihrer Biographie ist. Etwas, womit man leben kann.“

Erschienen ist der Artikel in Ausgabe 46/2018 des SZ Magazins. Online ist er leider hinter einer Bezahlschranke verborgen.

 

Refugee in griefInstagram: Refuge in grief

2009 ertrank der Partner von Megan Devine, kurz vor seinem 40. Geburtstag. Über ihre Erfahrungen mit dem Verlust, der Trauer und dem Umgang der Gesellschaft schrieb die amerikanische Psychotherapeutin das Buch „It’s ok that you’re not ok“ (in Deutschland erschienen als „Es ist okay, wenn du traurig bist: Warum Trauer ein wichtiges Gefühl ist und wie wir lernen, weiterzumachen“ im MVG Verlag). Dazu veröffentlichte sie die Webseite „Refuge in grief“ und einen Instagram-Account. Darauf finden sich nicht nur konkrete Impulse zum Umgang mit dem Verlust, sondern auch Illustrationen, die vielen Trauernden aus dem Herzen sprechen dürften. Beispiel gefällig? Das Trauer-Bingo. Es zeigt mit wenigen Bildern: Meine Reaktion ist normal. Und: Ich bin nicht alleine.

Website und Instagram-Account sind in englischer Sprache. Das Buch ist auch in deutscher Übersetzung erschienen.  

 

Online-Kurs: Grief and How it Can Kill Us

„Trauer und wie sie uns töten kann“ – unter diesem Titel bieten May Chao und Augusto von der Harvard Business School, einen kostenlosen und freizugänglichen Online-Kurs an. Beide Forscher wurden durch eigene Trauererfahrungen auf die Idee zu diesem Angebot gebracht. In ihrer Beschreibung heißt es: „Der Schwerpunkt dieses Kurses liegt auf praktischem Wissen, das Sie anwenden können, wenn Sie selbst trauern oder wenn Sie einen Trauernden kennen. Der Kurs dreht sich um den Trauerprozess und die Frage, wie Trauer unser Leben, unsere Gesundheit, unsere Familien, unsere Jobs und unser Umfeld beeinflussen kann. Wenn man trauert, kann jede Aufgabe zu einer Herausforderung werden; natürlich auch die, einen Online-Kurses zu belegen. Unser Angebot erlaubt Ihnen allerdings, das Tempo und die Inhalte selbst zu bestimmen, jederzeit, an jedem Ort. Wie in einem Trauerprozess gibt es dabei keinen richtigen oder falschen Weg.“

Wer den vollen englischsprachigen Kurs durchlaufen möchte, benötigt zwei bis vier Stunden pro Woche über fünf Wochen hinweg. Die Inhalte können allerdings jederzeit übersprungen, abgebrochen oder wiederholt werden.

 

Kinofilm: Widows – Tödliche Witwen

Widows Plakat

Wer hätte das gedacht: Witwen werden leinwandfähig – und das mal nicht in der bloßen Rolle der schwarz gekleideten Opfer. In dem Thriller „Widows“ von Regisseur Steve McQueen versammelt die Frau eines Gangsters drei Mitstreiterinnen für einen Raubüberfall um sich. Die Handlung klingt entsprechend erwartbar: „Veronica lebt ein Luxusleben, das ihr Mann Harry mit kriminellen Machenschaften ermöglicht hat. Als er bei einem seiner Raubzüge ums Leben kommt, steht Veronica vor einem Abgrund, denn ihr Mann hat ihr einen gigantischen Schuldenberg hinterlassen. Der Gangster Jamal Manning verlangt nun von Veronica, dass sie das Geld stellvertretend auftreibt. Also beschließt sie, einen großen Coup, an dem Harry vor seinem Tod herumgetüftelt hat, selbst durchzuführen. Helfen sollen ihr dabei die Frauen von Harrys Kollegen, die ebenfalls bei dem Unglück ums Leben kamen.“ Doch so klischeehaft der Plot auch klingen mag, die Kritiker sind voll des Lobes. „Der deutsche Verleih entschied sich für den reißerischen Titel Widows – Tödliche Witwen, was coole Powerfrauen in Schwarz suggeriert, die irgendwie Rache nehmen. Im Original heißt diese Regiearbeit einfach Widows, was der tragischen, existenziell müden Stimmung der Hauptprotagonistin zwischen Schockstarre und Verzweiflung deutlich näherkommt“, heißt es etwa in einer Rezension von epd Film. Das Ganze wird garniert mit viel Geballer, Gewalt und düsteren Bildern – Wohlfühlkino darf also kein Besucher erwarten.

Der Film ist im Dezember angelaufen und ab 16 Jahren freigegeben. Hier gibt es den Trailer, hier eine Rezension von Spiegel online.

 

Interview: „Die Pille dagegen gibt es nicht“

Wann hört Vermissen auf? Dürfen Angehörige sich Beileid verbitten? Fragen wie diese beantwortet die Trauerforscherin Heidi Müller vom Trauerzentrum Frankfurt in einem Interview mit dem ZEITmagazin. Sie erlebt: „Das Vermögen, einen Verlust zu bewältigen, ist in uns allen angelegt. Alle Menschen können trauern. Und allein das Bewusstsein, dass Menschen aufgrund ihrer Natur dazu in der Lage sind, hilft vielen schon, die sich damit vielleicht schwerer tun als andere.“ Und weiter: „Trauerprozesse folgen ihrer eigenen Logik. Sie folgen keinesfalls Werten wie Schnelligkeit, Wachstum, Effizienz oder Rationalität. Sie stemmen sich damit gegen das heutige Ideal einer wachstumsorientierten Leistungsgesellschaft.“ Ein Gespräch über Wut, neue Formen der Verarbeitung und die Behandlung mit Psychopharmaka.

Erschienen ist das Interview online auf zeit.de.